Rechtliche Ausgangsposition

Die jüngsten Finanzkrisen hatten Handlungsbedarf im Bereich der Immobilien­finanzierung aufgezeigt. Insoweit bestanden Schwächen insbesondere im Bereich der Aufklärung der Verbraucher bis hin zur Überwachung der Kreditvermittler und deren Vertreter. Dem ist die Europäische Union entgegengetreten, indem sie eine Richtlinie über Wohnimmobilien-Kreditverträge für Verbraucher erlassen hat. Die EU-Mitgliedstaaten haben diese Richtlinien bis zum 21.03.16 in nationales Recht überführt. So auch die Bundesrepublik Deutschland, wo seit Ende März die EU-Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie ("Wiki") gilt.

Verbraucher erhalten nun umfassende Informationen

Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung sind nunmehr die Verbraucher im Vorfeld des Vertragsabschlusses umfassend von der Bank zu informieren. Insbesondere wird hierzu ein standardisiertes Merkblatt verwendet. Ferner sind dem Darlehensnehmer Informationen zu Sollzinssatz, Gesamtkreditbetrag, effektivem Jahreszins, Laufzeit des Kreditvertrages, Höhe der Raten, der vom Verbraucher zu zahlende Gesamtbetrag und ggf. auch ein Warnhinweis zu Währungsschwankungen zu erteilen. Durch diese Informationen soll der Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine verantwortungsvolle Finanzierung und ein verantwortungsvolles Schuldenmanagement zu betreiben.

Darüber hinaus muss das Kreditinstitut Informationen darüber erteilen, in welcher Beziehung der Vermittler oder Vertreter zu dem gewährenden Kredit steht und welches Entgelt dieser für die Kreditvergabe erhält. Dieses Entgelt bzw. eine zu zahlende Provision muss schriftlich mitgeteilt werden.

Fachliche Qualifikation auf Bankenseite erforderlich

Künftig wird auch die Sachkunde der Kreditgeber, Kreditvermittler oder deren Vertreter schärfer kontrolliert. Die an der Darlehensvergabe beteiligten Personen haben gegenüber der Aufsichtsbehörde einen Sachkundenachweis zu erbringen und müssen ihr Wissen stets auf dem Laufenden halten.

Geänderte Vorgaben hinsichtlich der Kreditwürdigkeitsprüfung

In der Vergangenheit ist es häufig dazu gekommen, dass eine Finanzierung aufgrund der schon anfänglich schwachen Liquidität des Verbrauchers gescheitert ist. Zwar war eine solche Kreditwürdigkeitsprüfung aufsichtsrechtlich für die Banken vorgeschrieben, jedoch geschah diese Prüfung nur im eigenen Interesse der Bank, um so ein mögliches Kreditausfallrisiko bewerten zu können.

Hier hat es durch die gesetzliche Neuregelung jetzt eine nachhaltige Änderung gegeben. Nunmehr muss die Bank bei der Kreditwürdigkeitsprüfung in Interesse des Verbrauchers alle Faktoren berücksichtigen, die Einfluss auf die Rückführung des Darlehens haben. Insbesondere sind dies Umstände, die zu einer - ggf. auch nur möglichen - Verringerung des Einkommens auf Verbraucherseite führen können. Diese Umstände sind bereits bei der Frage, ob ein Darlehen überhaupt zu vergeben ist und wenn ja zu welchen Konditionen einzubeziehen.

Darüber hinaus ist auch der Wert der Immobilie nicht mehr alleine ausschlaggebend dafür, wie hoch das Darlehen ausfallen wird. Hier ist gleichfalls die Liquidität des Verbrauchers entscheidend, die alleine Aussagen darüber trifft, wie und ob eine Rückführung des Darlehens gewährleistet werden kann.

Rechtlich gesehen bedeutet dies, dass die Bank die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht mehr im eigenen Interesse durchführt, sondern vielmehr im Interesse des Verbrauchers. Dieser soll vor einer möglichen künftigen Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz und damit vor dem möglichen Verlust der Immobilie geschützt werden. Gerade diese Thematik bereitet den Banken großes Kopfzerbrechen, da hier absehbar in erheblichem Maße rechtliche Risiken und in der Zukunft mögliche Prozesse befürchtet werden.

Gesetzliche Neuregelung führt auch zu Kopplungsverbot

Eine weitere Einschränkung für die Bankenseite liegt im sog. Kopplungsverbot. Danach ist es untersagt, im Zusammenhang mit der Kreditvergabe weitere Verträge über Finanzprodukte abzuschließen. Lediglich der gemeinsame Abschluss von bestimmten Riester- oder Bausparverträgen ist im Einzelfall möglich.

Zeitliche Beschränkung des gesetzlichen Widerrufsrechtes

Die bisherige rechtliche Regelung sah ein zeitlich unbegrenztes Verbraucher-Widerrufsrecht auch für Darlehensverträge vor. Dem hat der Gesetzgeber nun komplett ein Ende gesetzt. Verbraucher, die von einem Widerrufsrecht für Altverträge Gebrauch machen wollen, können dies nur noch bis längstens zum 21.06.2016 tun. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Für Neuverträge gilt nunmehr, dass das Widerrufsrecht nach einem Jahr und 14 Tagen automatisch erlischt.

Gesetzliche Neuregelung führt zu erschwerter Kreditvergabe

Wie problematisch sich die gesetzliche Neuregelung in der Praxis erweist, zeigen bereits erste Erkenntnisse in den wenigen Wochen seit dem Inkrafttreten des Gesetzes. Da die Banken nunmehr sehr intensiv im Interesse des Kunden zu prüfen haben, ob dieser den Kredit auch über die gesamte Laufzeit bedienen kann, fürchten die Kreditinstitute künftig von dem Darlehensnehmer wegen falscher Beratung in Regress genommen werden zu können. Diese möglichen Haftungsrisiken wirken sich zusammen mit anderen Faktoren der gesetzlichen Neuregelung aktuell negativ für bestimmte Personengruppen bei der Kreditvergabe aus.

Dies gilt z.B. für Käufer mit viel Eigenkapital und geringem Einkommen. Hier wird bankenseitig im Rahmen der Finanzierungsprüfung nicht die Werthaltigkeit der als Sicherheit dienenden Immobilie berücksichtigt, sondern in Ansehung der neuen Rechtslage wird alleine auf die Kapitaldienstfähigkeit des Darlehensnehmers abgestellt. Bestehen hier Zweifel, z.B. weil ein Darlehensnehmer in Ansehung von Elternzeit temporär nicht oder nur eingeschränkt berufstätig ist, so ist nach aktueller Gesetzeslage die Kreditvergabe deutlich erschwert.

Kreditvergabe auch für ältere Menschen und Ausländer schwierig

Hart treffen die neuen Regeln auch ältere Menschen, die z.B. ihr Haus umbauen oder sich verkleinern möchten. Da die neue Richtlinie festschreibt, dass darauf geachtet werden muss, dass der Kreditnehmer das Darlehen innerhalb der statistischen Lebenserwartung zurückzahlen kann, sind gerade Rentner schlecht dran. Da hilft auch der möglicherweise hohe Wert der bereits entschuldeten Immobilie nicht weiter. Von einigen Banken wird die gesetzliche Neuregelung in Ansehung der EU-Richtlinie auch so streng ausgelegt, dass hier auf eine vollständige Tilgung des Darlehens bis zum Renteneintritt bestanden wird.

Deutlich schwieriger ist die Darlehensvergabe auch an Privatkäufer, die in Deutschland eine Immobilie erwerben möchten, aber ihr Geld in einem EU-Staat verdienen, der nicht zum Euroraum gehört (z.B. Großbritannien, Schweden, Dänemark, Tschechien oder Polen). Bislang konnten sie bei einer Deutschen Bank ein Darlehen in Euro aufnehmen. Doch da die Banken nun Fremdwährungsrisiken beachten und im Zweifelsfall auch dafür haften müssen, haben sich die meisten aus diesem Geschäft zurückgezogen. Insoweit sieht nämlich die EU-Richtlinie vor, dass der Immobilienkäufer ein Recht auf Umwandlung des Kredits in seine jeweilige Heimatwährung hat, wenn sich der Wechselkurs von Kreditwährung (Euro und Währung des Heimatlandes) um mehr als 20 % zu Ungunsten des Darlehensnehmers verschiebt. Die neue Richtlinie soll diese Käufergruppe also vor Währungsschwankungen schützen. Insoweit fürchten aber die Banken ein kaum kalkulierbares Risiko, so dass in der Praxis derzeit keine Immobilienkredite mehr an private Nicht-Euro-EU-Kreditnehmer vergeben werden.

Gesetzliche Neuregelung bedarf der Nachbesserung

Wie schon bei anderen Gelegenheiten ist die Umsetzung der EU-Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie tatsächlich in Teilen misslungen. Die gesetzliche Intension ist es gewesen, hier für einen verbesserten Verbraucherschutz zu sorgen. Der Verbraucher sollte davor geschützt werden, sich mit dem Hauskauf in ein unkalkulierbares finanzielles Risiko zu stürzen. Tatsächlich entpuppt sich das Gesetz aber als Zwangsbeglückung des Verbrauchers. Dies zeigen erste aktuelle Entwicklungen, z.B. wenn nun ältere Menschen, die in einem vollständig bezahlten Eigenheim wohnen, kein Darlehen mehr für den altersgerechten Umbau gekommen. Oder wenn jungen Familien ein Kredit mit Verweis z.B. auf die Elternzeit nunmehr verwehrt wird. Hier besteht schon jetzt dringender Handlungsbedarf.

Wagt man einen Blick in die Zukunft, so begünstigt grundsätzlich das derzeit niedrige Zinsniveau aber auch die Kreditvergabe. Wenn sich aber nach Ablauf der Zinsbindungsfrist und einem dann ggf. deutlich schlechteren Zinsumfeld im Rahmen der Prolongation von Kreditverträgen deutlich höhere Zins- und Tilgungsleistungen für die Darlehensnehmer einstellen, so werden sicherlich zahlreiche Kreditverträge auf den rechtlichen Prüfstand kommen. Hier befürchten die Banken nicht zu Unrecht, dass die gesetzliche Neuregelung in erheblichem Maße rechtliche Risiken für die Zukunft birgt. Ungeachtet der Notwendigkeit, in diesem Bereich die Rechte der Verbraucher zu schützen, kann es nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung sein, die Risiken der Kreditvergabe nunmehr zu wesentlichen Teilen auf die Banken zu verlagern.

Es bleibt abzuwarten, ob, wann und in welchem Umfang hier von Seiten des Gesetzgebers nachgebessert wird.

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